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Monday, April 05, 2010

Pro Paolo Guerrero

Paolo Guerrero hat eine Trinkflasche nach einem Fan geworfen. Das hätte er wohl nicht tun sollen. Das hat ihm sein Arbeitgeber deutlich gesagt und ihn mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt. Eigentlich könnte die Geschichte jetzt vorbei sein und in die Schublade für Anekdoten, die man später mal seinen Enkeln erzählen kann, geschoben werden. (Das 11-Freunde-Sonderheft zu den 2010er-Jahren wird ja sicherlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.)

Spiegel.Online bemüht sich angesichts eines Mangels an besseren Stories an diesem Wochenende (wäre ja auch zuviel verlangt, das Collateral Murder-Video zu thematisieren!), das ganze aufzubauschen. BILD (verlink ich nicht...) spricht von "DEM Skandal des 29. Spieltages". Da werden Fan-Vertreter (naja... genauer genommen Fans aus einem HSV-Forum) ranzitiert, die bestätigen, dass ein Fan unter solchen Umständen 2 Jahre Stadionverbot bekäme. Und man fordert ohne jegliche Kenntnis der Verhältnisse vehement den Rauswurf des Spielers und eines Team-Kameraden, der ihn in Schutz nahm.

Die da so laut schreien sind genau die, die von einem klinisch reinen Fußball, einem wunderbar zu kommerzialisierenden Massenprodukt träumen. Emotionen sind fehl am Platz und jegliche Ausreißer werden drastisch kritisiert. Kaum ein halbes Jahr nachdem wir uns in Trauerbekundungen für Robert Enke überschlagen haben und festgestellt haben, dass auch Profi-Sportler Menschen sind, fordern wir nun wieder routiniert von ihnen, genau dieses Mensch-Sein nicht nach außen zu tragen.

Fans haben das Recht, den Spielern mangelhafte Leistungen vorzuwerfen und angesichts der maximal 10 Sekunden, die der Betreffende hatte, um Paolo Guerrero seine Meinung zu geigen, wird er wohl eine durchaus drastische Ausdrucksweise verwendet haben. Dummerweise gibt es davon keinen O-Ton, sonst könnten obige Medien sich auch gleich noch über rassistische, anti-semitische oder sonst welche menschenverachtenden Formulierungen auslassen und mit gutbürgerlicher Empörung die doppelte Bestrafung des Vereins fordern - für den Ausraster des Spielers und für Beschimpfungen der Fans.

Anders herum: Wenn ich nun als Fan so nah an einen Spieler ran komme und ihm mit brachialen Worten all meinen Seelenschmerz anlaste, muss ich mit dem Echo leben können. In intellektuellen Kreisen könnte daraus ein ansehnliches Wortgefecht entstehen. Profi-Fußballer zählen aber nunmal nicht zwingend zur geistigen Elite der Gesellschaft, also muss sich Paolo Guerrero einer Trinkflasche bedienen, um seine eigene Enttäuschung und Wut zu kanalisieren.

Die Handlungen und Motivation beider an der Situation Beteiligten kann ich sehr gut nachvollziehen. Die gekünstelte Zuspitzung und die Stilisierung des Ganzen zum Top-Ereignis des Tages hingegen nicht.